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Vergleich Folke Junior / Nordisches Folkeboot – ein paar Notizen

Auf der Boat Fit 2012 lagen sie auf dem Stand des Freundeskreises Klassische Yachten einträchtig nebeneinander – ein Juniorboot und ein Folkeboot aus der „Klinkerfraktion“, beide traditionell aus Holz. Ein Dank an dieser Stelle nochmals an Enno Peters, der keine Kosten und Mühen gescheut hatte, sein Juniorboot auszustellen und mit großem Engagement den Standdienst versah.

Die Ende Februar wieder anstehende Ausstellung in Bremen – dieses Mal mit einem anderen Schwerpunkt – ist für mich der Anlass, ein paar Gedanken zum Vergleich der beiden Bootsklassen, die doch so ähnlich sind, niederzuschreiben. Beginnen wir mit den Geschichten der beiden Bootsklassen.

Der Folke Junior
Der Folke Junior heißt in seinem Ursprungsland KDY 15 kvm/Juniorbåd und hat seine Wurzeln in dem schwedischen Pøjkbåt, das von dem Schweden Erik Salander konstruiert wurde. Auf der Suche nach einem preiswerten Boot für den dänischen Seglernachwuchs war man auf diesen Bootstyp in Göteborg aufmerksam geworden. Der Gedanke eines preiswerten Bootes war auch der Ursprung für das Folkeboot. Und was die Wünsche der Jugend anbelangt, sei an dieser Stelle kritisch gefragt, ob wirklich alle unsere Nachwuchssegler/-innen den heutigen Trend zum nahezu artistischen Segeln mittragen.

Der UR Junior (Bild aus dem Mai 1928)

Der UR Junior (Bild aus dem Mai 1928)

Aber das Boot war noch zu teuer, und so wandte man sich seitens des Kongelig Danske Yachtklubs (KDY) an den Konstrukteur mit der Bitte, die Zeichnungen zu modifizieren, auch um ein lebendigeres Boot zu bekommen.
Der KDY kaufte die geänderten Konstruktionszeichnungen und bestellte 4 Boote bei dem Bootsbauer Svend Svendsen in Kastrup.
Sie waren für die damalige Zeit insbesondere wegen des Spiegelhecks absolut ungewöhnlich.
Die Boote waren im Frühjahr des Jahres 1928 fertig, das somit als das Geburtsjahr des Folke Juniors gilt, und wir werden im kommenden Jahr unser 85-jähriges Jubiläum in Flensburg feiern. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Segelplan wegen einer zu großen Luvgierigkeit 1931/32 geändert wurde. Der ursprünglich über das Heck hinausragende Baum (man beachte das Konstruktionsjahr!) wurde auf das heutige Maß gekürzt und die Segelfläche der Fock wurde vergrößert.
Das Boot erwies sich als ausgesprochen geeignet für die Ausbildung des seglerischen Nachwuchses und trat schnell seine Verbreitung über ganz Dänemark an und wurde erst Anfang der 70er Jahre durch den Yngling und 606er ersetzt.

Juniorflotte am Steg (Bild aus den 50er Jahren)

Juniorflotte am Steg (Bild aus den 50er Jahren)

Der dänische Name rührt vom KDY, der Segelfläche (15 qm) und der Verwendung als Jugendboot her.
Die deutsche Bezeichnung resultiert aus der Ähnlichkeit zum Folkeboot. Etwa Anfang der 60er kamen die ersten Juniorboote nach Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt war bei uns das Folkeboot schon bekannt. Und eben wegen der Ähnlichkeit, und da es kleiner ist als das Folkeboot, bekam es seinen einprägsameren Namen.

Das Folkeboot
Die Geschichte des Nordischen Folkebootes begann im Herbst des Jahres 1939.
Auf einem skandinavischen Seglertag wurde zum ersten Mal von schwedischer Seite die Forderung nach einer gesamtskandinavischen Einheitsklasse erhoben. Ein Jahr später wurde wiederum auf einem Seglertag beschlossen, diese Klasse über einen internationalen Designerwettbewerb zu ermitteln. Schließlich wurden die mittlerweile erarbeiteten Ausschreibungsunterlagen im Frühjahr 1941 in allen skandinavischen Yachtzeitschriften veröffentlicht.
Mitte September 1941 trafen schließlich 59 (!) Entwürfe für das Volksboot (schwedisch: Folkeboot) ein. Ein 1. Preis wurde nicht vergeben, aber die Platzierungen 2 bis 5 erhielten Prämien. Doch keiner der prämierten Entwürfe wurde als allein tauglich für den Entwurf eines Nordischen Folkebootes befunden. 3 Konstrukteure wurden beauftragt, die besten Details aus den vorliegenden Entwürfen zu nutzen, um daraus den endgültigen Plan zu zeichnen.
Diesen fertigte schließlich Tord Sunden an, wobei als Schöpfer des neuen Bootes allein der Skandinavische Seglerverband gelten sollte.
Im Spätsommer 1941 wurden die endgültigen Zeichnungen und Linien veröffentlicht, und im April 1942 lief das erste Boot in Göteborg von Stapel.
Der Reeder Sven Salén war von der Idee des Folkebootes so überzeugt, dass er 60 Boote auf eigene Rechnung bestellte, auch wenn die Konstruktion für die damalige Zeit ähnlich wie die der Juniorboote optisch recht ungewöhnlich war. Doch die Segeleigenschaften überzeugten. Damit war der Startschuss für den Erfolg der Klasse gegeben.
Nach dem Kriege verbreitete sich das Boot auch in Dänemark und Finnland. Nur die Norweger als weitere Skandinavier konnten sich damit nicht anfreunden. Die Verbreitung in Deutschland schließlich begann erst 1957.

GFK und Holz auf der Bootsausstellung friedlich vereint (2003)

GFK und Holz auf der Bootsausstellung friedlich vereint (2003)

Gemeinsames und Unterschiede
Beiden Bootsklassen gemeinsam ist, dass sie im Laufe der Jahrzehnte immer den neuen Entwicklungen angepasst wurden. So z. B. der Wechsel von Makko-Segeln auf das neue Material Dacron.
Die wichtigste Änderung aber war bei beiden die Zulassung von GFK als Werkstoff. Bei den Juniorbooten wurde dieser neue Werkstoff im Herbst 1978 genehmigt. Heute kann man bei Arne Jensen in Frederikshavn ein neues GFK-Boot bestellen.Bei den Folkebooten erfolgte die Zulassung 1975, nachdem sich die Preise für neue Holzboote der 100.000 DM-Marke näherten und somit die Existenz der Klasse auf dem Spiel stand.

Für viele ansprechend ist die Kombination eines GFK-Rumpfes mit Holzaufbauten, die in beiden Klassen möglich ist.

Ein neues GFK Regatta-Boot bereit für den ersten Test

Ein neues GFK Regatta-Boot bereit für den ersten Test

Sehr plastisch hat Dieter Loibner in seinem Buch „The Folkboat story“ seine erste Begegnung mit einem Folke Junior geschildert. Als er mein Boot anlässlich des Goldpokals der Folkeboote 2000 in Eckernförde sah, wusste er nicht, ob er um 18.00 Uhr schon zuviel Bier getrunken hatte, oder ob ein Folkeboot zu heiß gewaschen worden war. Nun, ich habe ihn aufgeklärt und vieles von unserem Gespräch ist in sein Buch eingeflossen.
Im Wasser liegend, ist die Ähnlichkeit der beiden Bootstypen in der Tat verblüffend. Der Folke Junior hat nur etwas mehr Deckssprung.
Anders sind die Verhältnisse bei den Unterwasserschiffen. Beim Folkeboot kennen wir den typischen S-Spant. Beim Folke Junior hingegen ist unter den harmonisch strakenden Kiel eine lange Kielflosse untergebolzt, wobei das Vorschiff ziemlich frei hängt. Die Spiegel mit dem angehängten Ruder sind wieder gleich.

Ansprechend: GFK mit Holz - in beiden Klassen möglich

Ansprechend: GFK mit Holz – in beiden Klassen möglich

Grundlegende Unterschiede weisen auch die Riggs auf. Der Folke Junior ist mit Vor- und Fockstag, Ober- und Unterwanten sowie Backstagen (kein Achterstag!) sehr umfangreich ausgestattet. Ich gebe zu, vor dem Hintergrund dieses Drahtgewirrs doch häufig neidisch auf das genial einfache Rigg des Folkebootes gerade beim Auf- und Abtakeln zu blicken; 1 Paar Wanten, Vorstag, Achterstag über eine Talje und fest installierte Jumpstagen – das war’s.
Mast und Baum sind bei beiden Klassen ursprünglich aus Holz. Beim Folkeboot aber werden zunehmend Großbäume aus Aluminium gefahren. Aluminiummasten finden insbesondere wegen des geringeren Pflegeaufwandes immer mehr Anhänger.
Werfen wir nun einen Blick auf die Hauptabmessungen:
Folkeboot Folke Junior

Länge über alles 7,64 m 5,70 m
Breite 2,20 m 1,75 m
Tiefgang 1,20 m 0,90 m
Verdrängung 1930 kg 695 kg
Ballastgewicht 1025 kg 275 kg
Segelfläche 24 qm 15 qm
Masthöhe über der Wasserlinie 10,50 m 8,25 m
Baumlänge 3,50 m 3,10 m

Interessant sind bei einem derartigen Vergleich nicht die absoluten, sondern die Verhältniswerte.
L / B ist mit 3,47 beim Folkeboot etwas größer als beim Folke Junior mit 3,26. Das Folkeboot ist also etwas schlanker.
Der Ballastanteil ist beim Folkeboot mit ca. 53% erheblich höher als bei seiner kleineren Schwester mit ca. 40%.
Die bekannte Segeltragzahl weist mit 4,37 beim Folke Junior gegenüber 3,93 einen doch erheblich höheren Wert auf. D. h., ich habe beim Folke Junior im Verhältnis mehr Segelfläche zur Verfügung, um das Schiff voranzutreiben. Darin und auch in der im Verhältnis größeren Baumlänge sowie kürzeren Mastlänge findet sich das frühere Konstruktionsdatum des Folke Juniors wieder.

Und wer war der erste?
Ob und inwieweit nun wegen der optischen Ähnlichkeit der beiden Bootsklassen Rückschlüsse vom Folke Junior auf den Entwurf des Folkebootes zu ziehen sind, lässt sich auch an Hand dieser vergleichenden Zahlen und Betrachtungen nicht sagen, und man wird es wohl nie herausfinden, da auch der über Jahrzehnte währende Rechtsstreit um die Urheberrechte des Folkeboots Ende 1999 ohne konkretes Ergebnis eingestellt wurde.
Gern zitiere ich zum Schluss noch einmal sinngemäß Dieter Loibner. Der juristische Streit ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass es Leute mit Enthusiasmus auf der ganzen Welt gibt, die diese „Kiste“ mit Liebe und Können über die Ozeane (oder Seen) bewegen. Dem schliesse ich mich für den Folke Junior gerne an, ersetze die Ozeane durch Küsten, weil er die kleinere, aber ältere Schwester des Folkebootes ist.
von Hartwig Sulkiewicz

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